Im dritten Jahr haben wir wieder ein Zähnchen zugelegt. Nistos Kilometerzähler stieg um weitere 50‘601 km, davon 32‘703 km in Australien (inkl. 1‘812 km in Tasmanien) und 17‘898 km in Afrika. Das Ganze auf der linken Seite der Strasse auf sieben Länder verteilt. Dabei verbrannten wir 6‘788 Liter Diesel, die mit durchschnittlich 1.32 CHF pro Liter zu Buche schlugen. Nachdem wir uns noch einen weiteren Plattfuss eingefangen hatten, und einer der alten aus Südamerika anfing zu lecken, gab es vier neue Reifen. Die Längslenkerachse schien sich mit dem Lied von Queen „I want to break free…“ zu stark zu identifizieren und brach in der Mitte Australiens. Nisto fuhr mit dieser Verletzung allerdings noch eine der berühmten Geländestrecken Australiens und wurde erst in Cairns verarztet. Wir verstanden einfach nicht eher, wo es unserem treuen Gefährten weh tat. Ausserdem waren wir der Überzeugung, dass wir doch noch zu viel Platz in unserer Attika-Wohnung hatten. Ein Aufsetzer bei einer Flussdurchfahrt drückte uns die Tauchflaschen, welche auf dem Ersatzrad unter dem Wagen liegen, in den Innenraum. Dies verkleinerte unseren Wohnraum um 0.002 m3. Fünf Dämpfer gaben ihren Geist auf, die vier Stossdämpfer und ein Gasdämpfer unseres Sorgenkindes, das Hubach, welches auch noch neue Nieten im Scharnier verpasst bekam. Da dem vorderen Radlager das Wasser durch die australischen Wasserdurchfahrten schon langsam bis zum Hals ging, wurde es in den Ruhestand entlassen und ausgetauscht. Desweiteren wurden zwei Batterien, der Zahnriemen, das Achsschenkellager und alle Bremsbelege plus die hinteren Bremszylinder rausgeschmissen und durch neue ersetzt. Für letztgenanntes hatten wir uns in eine Werkstatt in Kapstadt begeben. Allerdings mussten wir feststellen: Beim nächsten Mal machen wir lieber gleich alles selber, denn einige Wochen später lag Markus deswegen erneut unter dem Wagen. Nun hoffen wir, dass unser Nisto uns auch noch die letzten Kilometer bis nach Hause fährt. Nach dem aktuellen Plan warten noch 8 Länder auf uns, bevor wir wieder Schweizer Boden unter den Füssen haben werden. Welche das sind, wird noch nicht verraten. Jetzt aber zurück zu unseren Erlebnissen im drittärmsten Land der Welt.
Wir hatten keine Ahnung was uns erwartete. Das einzige was wir wussten: Im ganzen Land herrscht schon seit Jahren Treibstoffknappheit. Also hatten wir Nisto noch vor der Grenze bis zur Unterkante Oberlippe gefüllt. Das würde reichen, um einmal der Länge nach durchs Land zu fahren. In Blantyre, die zweitgrösste Stadt des Landes, angekommen, begannen wir gleich mit der Abarbeitung der To-Do-Liste. Der Kühlschrank war schnell gefüllt und auch die neue Schweizer Sim-Karte dank Skype ruck zuck organisiert. Nur die Auswuchtung der Reifen stellte ein grösseres Problem dar. Zwar fanden wir eine Werkstatt mit den richtigen Geräten. Als wir jedoch am nächsten Tag in Richtung unseres nächsten Ziels aufbrachen, mussten wir nach einigen Kilometern wieder umdrehen. Das Aufschunkeln war noch schlimmer geworden. Zurück in der Werkstatt tauchten bei den Mechanikern nur Fragezeichen auf den Gesichtern auf. Im Endeffekt blieb uns nichts anderes übrig als die Reifen von hinten nach vorne zu wechseln. So war es zwar nicht behoben, aber deutlich besser. Im Nachhinein können wir sogar ein Bisschen froh sein, über diese Verzögerung, denn sonst hätte sich folgendes irgendwo im nirgendwo ereignet.
Am nächsten Morgen erwachte Sonja mit starken Unterleibschmerzen und Durchfall. Schnell ein Griff in die Nisto-Apotheke, denn von so Kleinigkeiten lassen wir uns nicht beirren, und ab auf die Strasse Richtung Zomba. Anstelle einer Verbesserung wurde es jedoch von Kilometer zu Kilometer schlimmer. Immer wieder mussten wir anhalten. In der Zwischenzeit lag Sonja mit leichten Schüttelfrostattaken im zweiten Schlafzimmer und Markus versuchte so gut wie es ging den Schlaglöchern auszuweichen. Auf halber Strecke fragte Sonja, ob es ein Krankenhaus in Zomba gibt. Das GPS bejahte. Dann ab dahin.
Uns waren bereits die vielen Autos der unterschiedlichen Hilfswerke aufgefallen. World Vision, Ärzte ohne Grenzen ….. alle waren sie hier. So wunderten wir uns nicht, dass ein Schild, mit der Aufschrift „In Zusammenarbeit mit Deutschland“ vor dem Krankenhaus prangte. Allerdings heisst das noch lange nicht, dass hier der europäische Standard herrscht. Es sah aus wie jedes andere Lehmgebäude auch. Hier gab es keine Privat-, Zwei- oder Dreibettzimmer. Hier lagen alle in einem Raum. Auch kam es vor, dass man Leuten auf dem Boden ausweichen musste. Ob sie dort auf eine Behandlung warteten, oder Besucher waren, konnten wir nicht erkennen. Noch mehr als sonst schaute man uns mit grossen Augen an. Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein kranker Weisser in diesen Hallen auftaucht. Auf jeden Fall stand nach einer halben Stunde die Diagnose fest: Malaria. Trotz langer Kleidung, einsprühen und Coils hatte es eine Mücke geschafft. Schnell waren die Medikamente organisiert, und mit den Worten, nach 12 Stunden geht es wieder besser, wurden wir entlassen. Der ganze Spass kostete uns übrigens nichts. Unterwegs trafen wir noch auf Nadine, Volontärin einer Hilfsorganisation, die Krankenschwestern ausbildet. Sie gab uns einige Tipps und ihre Handynummer für den Fall der Fälle. Auch brachte sie uns noch schnell zu einer weissen Ärztin, die hier arbeitete. Alle bestätigten sie, dass es nun nur noch Berg auf gehen würde.
Das taten wir dann auch, denn auf dem Plateau in der Nähe von Zomba konnte man bei einer Forellenfarm campieren. Drei Tage verweilten wir hier. Zum Glück waren wir alleine, denn Sonja musste stündlich raus und sich in alle Himmelsrichtungen entleeren. Am zweiten Tag standen wir kurz davor ins Krankenhaus zurück zufahren. Nach telefonischer Rücksprache mit Nadine blieben wir dann doch. Solange ich keine Kopfschmerzen bekomme oder verwirrt bin, seien wir auf dem richtigen Weg. Am vierten Tag entschieden wir uns trotzdem für ein Hotelzimmer in der Stadt. Und endlich wurde es von Stunde zu Stunde besser. Auch bekam Sonja endlich wieder Hunger und verputzte eine halbe Pizza sowie ein Omelette. Nach einer weiteren katastrophalen Nacht, diesmal jedoch nicht, weil Sonja stündlich raus musste, sondern sie, dank der Matratze, laufend auf Markus kugelte und einem das Moskitonetz direkt vor der Nase klebte, stand fest, jetzt geht’s weiter. Nun wollten wir endlich einen Blick auf die Attraktion Malawis werfen: den Lake Malawi.
Hierzu machten wir uns auf den Weg nach Chembe, ein kleines Dörfchen im Süden des Sees. Wenn wir gedacht hatten in Mosambik gibt’s schon viele Kinder, schien Malawi nur aus ihnen zu bestehen. Es kam uns so vor, als ob wir ausschliesslich mit ihnen die Asphaltstrasse teilten. Hier und da kreuzten wir zwar einen Kleinbus oder mal einen LKW, aber die konnte man an einer Hand abzählen. Wir blickten in Tausende strahlende Kinderaugen, die uns zuwinkten. Nicht einmal sahen wir eine Hand zum Betteln ausgestreckt. Lediglich bei der Durchfahrt des Dorfes liefen sie uns hinterher und riefen „Sweets, Sweets,…“. Wir hatten uns sofort in diesen kleinen Platz verliebt. Man kam sich hier wie in einer grossen Familie vor. Daher waren wir masslos über den Campingplatz enttäuscht. Riesige Mauern umgaben den Ort. Am Eingang prangte ein Schild mit den Worten „Safe Camping“. Auch der Strandabschnitt war abgezäunt. Man kam sich ein Bisschen wie in einem Hochsicherheitsgebäude vor. Ganz und gar nicht nach unserem Geschmack.
Am nächsten Tag machten wir einen Ausflug in den Lake Malawi Nationalpark. Dafür mussten wir einmal quer durchs Dorf. Jeder kann sich in der Zwischenzeit vorstellen, was da los war. Natürlich kam es, dass wir uns verfuhren, aber gleich war jemand zur Stelle, um uns den richtigen Weg zu weisen. Ein kleiner Trampelpfad führte über einen Felshügel zu einem wunderschönen Küstenabschnitt, „Otter Point“. Bereits vom Strand aus konnte man die bunten Fische, die wir in unseren Breitengraden im Aquarium halten, im klaren Wasser erkennen. Natürlich versuchte Markus sein Glück beim Schnorcheln, während sich Sonja auf einem Stein zum Relaxen nieder liess.
Langsam und gemächlich tuckerten wir in den nächsten Tagen am See gen Norden. Wir hatten den Schatz Afrikas gefunden: die Menschen. Ein Volk so freundlich und fröhlich hatten wir noch nie erlebt. Sogar die regelmässigen Kontrollen der Polizisten, waren eher interessenshalber. Nie hatten wir das Gefühl, Goldesel zu sein, die man nur zu melken braucht. Natürlich ging es ihnen auch darum uns etwas zu verkaufen, aber wir spürten deutlich, dass es um Geld für die Lebensgrundlagen ging, denn hier und da fragte man als Bezahlung auch nach T-Shirts. Gebettelt wurde nicht. Immer wieder kamen wir ins Gespräch mit den Einheimischen. Denn neben ihren handwerklichen Talenten, konnte der Grossteil sogar gut englisch. Was wir von allen hörten: Wir brauchen mehr Touristen oder kommt und macht Business bei uns. Was absolut nicht abwegig ist. Denn als wir uns die Bilder und die kleinen und grossen Kunstwerke aus Holz anschauten, standen hier teilweise echte Künstler vor uns. Nur ein kleines Beispiel: In einem Land, wo schon das Fahrrad zum Luxus gehört, wo vielleicht alle Stunde mal der Minibus oder ein LKW vorbeirauscht, bauen zig Menschen kleine und grosse Land Rover aus Holz.
Aber wir kennen in der Zwischenzeit auch die Kehrseite der Medaille. Bereits jetzt ist sie auch in Malawi spürbar. Nicht ein Campingplatz hat uns wirklich gefallen. Man fühlte sich hinter riesigen Mauern verbarrikadiert. Wenn es hoch kommt, teilt man sich den Strand mit den Einheimischen. Aber das ist auch schon das äusserste. Für uns gab es allerdings in diesem Land fast nichts schöneres, als mit dem herzlichen Volk zu reden und gemeinsam über einen Witz zu lachen.
Noch einmal tauchte Markus in die Tiefe, bevor wir nach knapp zwei Wochen diesem Land den Rücken zukehrten. Es ist zwar eins der Ärmsten der Welt, doch wirkliche Armut haben wir nicht gesehen. Sie können sich glücklich schätzen, nicht regelmässig von Naturkatastrophen heimgesucht zu werden und genug zu essen zu haben, wenn man in diesen Breitengraden von genug sprechen kann. Den Spruch eines 25-jährigen Jungen, der uns von seiner Oma hergestellten Holzschmuck, verkaufen wollte, werden wir nicht mehr vergessen: „No sweat, no sweet!“ („Kein Schweiss, nichts Süsses!“). Ob sich die Malawier diesen Spruch zum Leitbild gemacht haben? Wir wissen es nicht, aber es scheint uns so.
Werden wir von den Tansaniern auch so sprechen können? Wir werden sehen.
Bis bald. Hebet Sorg.
Markus und Sonja