Coquimbo, Atacama, Antofagasta
Unsere beiden letzten Wochen waren nicht so actionreich wie die vorherigen. Man könnte fast meinen langweilig, wenn man mal davon absieht, dass wir uns dreimal aus dem Schnee schaufeln mussten, dass auf über 4.000 m.ü.M., und in der Zwischenzeit fast jede Nacht Wassertank sowie Dachzelt einfrieren. Dank abend- und morgentlicher Standheizung nicht das grösste Problem, wenn sie nicht gerade an der Höhenkrankheit leidet und partout nicht anspringen will.
Unser Plan mit dem Zickzack über die Chilenisch-Argentinische Grenze ging leider nicht ganz auf. Die Mehrzahl der Chilenen, die wir gefragt hatten, waren zwar der Überzeugung, dass unser erster Wunschpass, der Agua Negra 4.765 m.ü.M., geöffnet ist. Aber die Grenzbeamten teilten diese Meinung nicht und wollten uns schon zurückschicken. So schnell gaben wir jedoch nicht auf, schliesslich waren wir nicht umsonst 84 km auf einer Stichstrasse gefahren. Sonja kam auf die Idee, die Männer in grün zu bitten, uns einfach drauflosfahren zu lassen, bis wir nicht mehr weiter kommen. Auch wenn wir uns eine positive Antwort erhofft hatten, staunten wir nicht schlecht, als die Herren nickten. Wir mussten unsere Reispässe abgeben und versprechen vor 20 Uhr wieder zurück zu sein, bevor sie den Schlagbaum öffneten und uns ins Ungewisse entliessen. Es war eine absolut traumhafte Strecke. Vorbei an dunkelblauen Seen, Felsen und Sand in diversen Farben. Bis wir dann die Schneegrenze erreichten und plötzlich trotz Vollgas auf rd. 4.357 m.ü.M. etwa 4.6 km vor dem Pass in einer Schneewehe feststeckten. Zwar hatte sich Markus in der Zwischenzeit weit mehr als die Grundkenntnisse im „Erfolgreichen-Schaufeln“ angeeignet. Allerdings ist körperliche Arbeit bei der dünnen Luft, ohne ausreichende Akklimatisierung, alles andere als ein Zuckerschlecken. Nach einer guten 3/4 Stunde Schneeumschichten, Nisto vor- und zurückfahren, waren wir wieder parat zum Weiterfahren, entschlossen uns aber, dass für heute Schluss ist. Bevor wir jedoch den Rückweg antraten, setzten wir noch einen Wunsch von Sonja, der schon seit Weihnachten in ihrem Kopf herumschwirrt, in die Tat um. Wir bauten unseren ersten Schneemann auf unserer Reise und das mitten im Mai.
Obwohl wir eigentlich nicht mehr über den Pass San Francisco 4.726 m.ü.M. wollten, hier wären wir nach Plan wieder zurück nach Chile gekommen, steuerten wir ihn trotzdem an. Wir hatten von einer wunderschönen Lagune gelesen, die wir uns nicht entgehen lassen wollten. Nach erneut wunderschöner Landschaft und komplett gepfadeter Schotterstrasse erreichten wir auf rd. 3.800 m.ü.M. den Grenzposten. Doch auch hier wollte man uns nicht weiter lassen. Aktuell schneie es auf der argentinischen Seite und man ginge davon aus, dass es noch heftiger werden würde und auch hier alles eingeschneit wird. Wir sollen doch nächste Woche wiederkommen, dann wäre die Strasse wieder frei.
Wir hatten schon kehrt gemacht, als es uns durch den Kopf schoss: Ja, wann genau wird er denn wieder aufgemacht? Es war Samstag. Lohnt es sich für uns zu warten? Also erneut zurück, freundlich an die Tür geklopft und schwubs wurden wir auf einen Kaffee eingeladen. Nach über einer Stunde verliessen wir die freundlichen Herren von der Aduana und machten uns auf die Suche nach einem Schlafplatz, welchen wir im nicht weit entfernten Salar de Pedernales, unsere erste Salzlagune, fanden. Zwei Nächte wollten wir hier auf 3.400 m.ü.M. bleiben und am Montag erneut unser Glück versuchen. Wir verbrachten einen herrlich sonnigen Sonntag, nachdem Markus mal wieder einen Platten geflickt hatte. Ausserdem verzeichneten wir mit -9.3 Grad unsere bisher kälteste Nacht. Für uns war es in der Zwischenzeit zur Routine geworden abends Laptop und Kamera in die dicken Jacken einzuwickeln und das Wasser für den allmorgendlichen Kaffe bzw. Tee bereits ins Kännchen zu füllen.
Am Montagmorgen standen wir wieder vor der Tür der Aduana. Immer noch nicht gepfadet. „Dann lasst uns einfach bis wohin wir kommen.“ Noch schnell bei der Polizei nachgefragt und schon wurde der Poller zur Seite genommen und uns mit einem „Suerte“ („Viel Glück“) hinterher gewunken. Natürlich bekamen wir die Lagune nie zu Gesicht. Wir steckten vorher mal wieder in einer Schneewehe fest. Aber irgendwie machte es auch gar nichts. Die Landschaft war auch ohne „Wasserpfütze“ diesen Trip wert.
Noch eine weitere Nacht verbrachten wir in den Anden, bevor uns unser Weg über Antofagasta nach Calama führte. Hier wollten wir mal wieder ausgiebig warm duschen sowie unsere Wäsche waschen, Homepage aktualisieren, skypen und und und. Aber es kam alles anders. Denn das Fussballspiel Chile - Sambia, welches in diesem kleinen Städtchen ausgetragen wurde, machte uns einen Strich durch die Rechnung. Die beiden in Frage kommenden Campingplätze befanden sich in unmittelbarer Nähe des Fussballplatzes und somit im abgesperrten Bereich. Wir wären diesmal sogar auf ein Hotelzimmer ausgewichen, aber die waren auf Grund des Fussballspieles alle ausgebucht. Die Wäschereien hatten wohl keine Lust noch über den Anpfiff hinaus arbeiten zu müssen, und das Internet schien sich dieser lustlosen Tendenz anzupassen und streikte. So suchten wir uns ein wildes Plätzchen ausserhalb der Stadt und griffen auf den altbewerten Waschlappen zurück.
Am nächsten Morgen statteten wir der tiefsten offenen Kupfermine der Welt einen Besuch ab. Und staunten nicht schlecht über die Bagger und Lastwagen, so gross wie Häuser. Bevor es weiter ging zum höchstgelegenen Geysierfeld der Welt, wo wir uns in einer heissen Quelle ein Bad gönnten und unsere erste Nacht auf 4.326 m.ü.M. verbrachten. In der Zwischenzeit hatten wir uns relativ gut an die Höhe gewöhnt, nur das Schlafen wollte nicht immer klappen.
Auf unserer bisherigen Reise hatten wir schon viel gesehen, wofür uns die Worte fehlten. Aber wer auch immer unsere Erde erfunden hat, hier in der Umgebung der kleinen Stadt San Pedro de Atacama ist er völlig durchgeknallt. Die Landschaft ist einfach unbeschreiblich, fast schon unwirklich, einfach phantastisch. Man hat das Gefühl, die Augen spielen einem einen Streich. Ausserdem ist sie auf engstem Raum so unterschiedlich. Steht man gerade noch in einer mondähnlichen Wüste, geht diese einige Kilometer weiter in eine Salzkruste über in der sich zig Seen befinden und Flamingos ihr Heim nennen. Aber unser Höhepunkt waren zwei Lagunen auf rd. 4.000 m.ü.M., „Reste“ des Urmeeres. Kobaltblaue Seen umringt von gepuderten Vulkanen. Wir konnten uns nicht satt sehen und blieben gleich über Nacht dort.
Für den Rückweg in die Stadt hatten wir eine andere Strecke gewählt, die uns erneut über einen Pass führen würde. Es war der 1. Juni. Wir hatten im Mai genug geschaufelt und uns für den neuen Monat fest vorgenommen: Die Schaufel bleibt an ihrem Platz, lieber drehen wir vorher um. Fast hätte es funktioniert, aber eben nur fast. Wir kehrten zwar rechtzeitig um, landeten aber auf dem Rückweg erneut in einer Schneewehe. Und so zückten wir ein drittes Mal, diesmal auf rd. 4.675 m.ü.M., die Schaufel.
Nachdem wir alle Naturwunder in dieser Gegend genauestens unter die Lupe genommen hatten, steuerten wir auf die Grenze Argentiniens und unseren höchsten Punkt unserer bisherigen Reise von 4.863 m.ü.M. Endlich sollten wir es schaffen die Anden ohne Unterstützung anderer Hilfsmittel zu überqueren. Jetzt geht’s langsam wieder Richtung Osten, wo wir uns, dem Nisto und der Standheizung eine Aufwärmung gönnen und hoffen, dass letzteres rechtzeitig für Bolivien wieder dauerhaft fit ist.
Bis bald.
Markus und Sonja