Lagos, Araucaria, RM, Valparaiso, Coquimbo
Chile begrüsste uns mit einem Platten. Aber so schnell wie die Luft aus Nistos Reifen entwich, so schnell war er auch wieder geflickt und die Reise konnte weitergehen. Nur wohin? Vor unserer Nase nur graue Wolken. Allerdings sah man am Horizont sowohl im Norden als auch im Süden einen blauen Streifen. In Osorno schnell ins Internet nach dem Wetter geschaut und schon war entschieden: Auf nach Süden.
Es war schon dunkel, als wir am Lago Llanquihue ankamen. Eigentlich hatten wir gehofft, direkt am Ufer campieren zu können, aber hier scheint der Bauboom ausgebrochen zu sein. Entweder ist alles eingezäunt oder Häuser versperren den Weg. Nichts mehr für Wildcampierer. Irgendwann, unsere Augen drohten schon zuzufallen, hatten wir doch ein Plätzchen gefunden. Wir waren gespannt, welche Aussicht uns am nächsten Morgen begrüsste.
Pünktlich mit der Sonne standen wir auf und wurden mal wieder Zeugen eines wunderschönen Sonnenaufgangs mit Blick auf den Vulkan Osorno. Noch eine weitere Nacht verbrachten wir am Fusse des Vulkans direkt am Lago Todos Los Santos bevor wir uns am nächsten Tag auf den Weg in Richtung Pucon machten. Da wir beide Fans von Schleichwegen sind, hatten wir uns für eine 4x4 Strecke entschieden, die von hinten durch den Parque Nacional Villarica die Stadt anfährt. Nach einer Nacht am Lago Calafquén mit Blick auf den aktiven Vulkan Villarica, ging es am nächsten Morgen zunächst ein ganzes Stück auf einer einfachen Schotterstrasse, durch einen wunderschönen Wald den Berg hinauf.
Bis wir dann vor einem grösseren Wanderweg standen, neben dem ein Schild prangte: „Strasse nicht passierbar. Besser zu Fuss gehen!“ Wir schauten uns an und Markus gab Gas. Vielleicht ist das ja nur zur Abschreckung für „normale“ Autos. In den nächsten 24 Stunden sollten wir jedoch feststellen, dass dies auch für Nistos gilt. Die Wurzeln, die aus dem Boden ragten, nahmen wir spielend, wenn man mal von dem Gewackel absieht. Allerdings hatte starker Regenfall die Strasse teilweise so durchpflügt, dass wir anfangen mussten Löcher mit Holz zu stopfen, damit Nisto nicht in Schräglage geriet. Spätestens da hätten wir umkehren sollen. Aber es ist ja immer so, wenns klappt, warum soll man nicht weiterfahren. Aber je höher wir kamen, desto komplizierter, grösser und unplatzierter wurden die Krater. In der Zwischenzeit lief Sonja vorm Nisto her, sammelte Holz für die Löcher und überliess Markus den Entscheid, wann das nächste Stück ausreichend präpariert war. Es war besser für alle Beteiligten, wenn sie erst wieder hinsah, wenn Nisto eine selbst gebaute Passage erfolgreich passiert hatte. Wir hatten abgemacht, dass wenn etwas nicht gut ist, würde Markus hupen.
Dann passierte es. Dass es Sonja durch Mark und Bein fuhr, als plötzlich die Hupe ertönte, muss man nicht extra erwähnen. Markus wollte eine Ausspülung unter den Wagen nehmen, wurde jedoch von der Sonne geblendet, fuhr zu weit nach links und rutschte rechts mit den Reifen in den Spalt. Da stand er also in der Schräglage, kurz vor dem Kippen. In Sonjas Kopf begannen sich Horrorszenarien abzuspielen. Aber es half alles nichts, wir stecken drin und müssen irgendwie da raus, denn so können wir nicht im Nisto schlafen.
Nachdem Markus die Situation von allen Seiten inspiziert hatte, entschied er eine Rampe zu schaufeln und ‚einfach‘ aus der Spalte zu fahren. Wir hatten keine Ahnung, was passieren würde. Im Endeffekt passierte nichts, ausser, dass alle vier Reifen durchdrehten und der Wagen sich noch ein Bisschen neigte. Dann halt rückwärts raus. Nisto schwankte nach links, wieder nach rechts und stand einige Minuten später wieder in der Waagerechten. Man hörte Steine purzeln.
Auf einem Hügel angekommen, löste sich langsam unsere Anspannung. Unterwegs hatten wir zwei Chilenen getroffen, die uns erzählten, dass es nach der Anhöhe wieder besser wird. So sah es zu Anfang auch aus. Aber 10 Minuten später standen wir vor unserer grössten Prüfung. Grand-Canyon-like hatte sich das Wasser einen Weg durch die Erde gegraben und das mitten auf der „Strasse“, die wir fahren wollten. Wir konnten ihn weder unter den Wagen nehmen, da zu breit oder zu weit am Wegesrand, noch einfach nebenher fahren. Auch war es nicht möglich ihn mal eben schnell mit Holz zu füllen, denn es waren rd. 300 m ½ Meter tief. Die Verzweiflung war in unsere Gesichter geschrieben und schnell wurde klar, heute kommen wir nicht mehr an unser Ziel. In der Zwischenzeit war es schon 4 Uhr und in zwei Stunden würde die Sonne untergehen. Während Markus anfing die Strasse mit der Schaufel zu bearbeiten, machte sich Sonja auf den Weg, den Rest der Strecke abzulaufen, ob noch mehr solche Aufgaben auf uns lauerten. Nach 1 ½ Stunde kam sie zurück, dass würde unsere letzte Prüfung sein. Also würde es sich nicht lohnen den ganzen Weg wieder zurück zu fahren. Gut das wir unser Zuhause dabei haben, nichts destotrotz beim Abendbrot war die Stimmung deutlich getrübt. Sonja bekam kaum einen Bissen runter. Wir versuchten uns gegenseitig aufzumuntern, dass wir es schon schaffen werden. Die Strasse musste einfach so bearbeitet werden, dass wir runterkommen, was wiederrum halt ein Bisschen Zeit in Anspruch nehmen würde.
Um 9 Uhr am nächsten Morgen machten wir uns an die Arbeit. Während Sonja Holz für unsere Strasse sammelte, trug Markus hier und da Erde mit der Schaufel ab oder baute Brücken. Um 1 Uhr hatten wir die 300 m soweit bearbeitet, dass wir es wagen wollten. Gemeinsam liefen wir noch einmal die Strecke ab und Markus zeigte Sonja, wie sie ihn weisen sollte. Im Schneckentempo und mit Magenschmerzen ging es den Berg hinab. Immer wieder mussten wir hier und da anhalten, weil die Hinterreifen drohten, den Vorderreifen nicht der angedachten Route zu folgen und abzurutschen. Wieder musste geschaufelt oder Holz untergelegt werden. Nisto ächzte, quietschte und stöhnt. Auch er schien eindeutig genug zu haben. Keine 10 Meter vor dem präparierten Ende, kamen wir jedoch erneut zum Stehen. Eine unserer Holzbrücken war bereits unter dem Gewicht der Vorderreifen zusammengebrochen, so dass das Hinterrad dort keinen Halt mehr finden und abrutschen würde, wenn wir so weiterfahren würden. Auch beim rückwärtsfahren kamen wir nicht mehr in eine Position, die ein erneutes sicheres anfahren der Stelle ermöglichte ohne in gefährliche Schräglage zu geraten.
Plötzlich hörte Sonja zwei Motorcrossräder, den Berg hinaufkommen. Auf einem sass unser Schutzengel Louis. Er erkannte unsere Situation und packte kurzer Hand mit an. Im Nu war das Hinterrad mit Baumstämmen unterlegt, und er übernahm die Position von Sonja. Er winkte Markus über die Brücke. Unter Nistos Gewicht brach das Holz, er neigte sich wieder gefährlich, das Vorderrad stand schon in der Luft. Aber Louis winkte energisch und drei Meter weiter, stand der Wagen sicher auf seinen vier Rädern in der Waagerechten. Auch den letzten Abschnitt begleitete Louis uns und ruck zuck hatten wir die restlichen „Schluchten“ und die marode Brücke, auf der diverse Querbalken fehlten, gemeistert.
In Pucon angekommen, gönnten wir uns nach diesen Aufregungen mal wieder einen Campingplatz mit heisser Dusche und einen Erhohlungstag. Aber das nächste Abenteuer stand schon vor der Tür. In Guatemala hatten wir es verpasst auf einen aktiven Vulkan zu steigen. Ein zweites Mal würde uns das nicht passieren. So sah man uns zwei Tage später 1.400 Höhenmeter auf 5 km verteilt teilweise mit Steigeisen und Pickel erklimmen. Wenn wir uns quälen, dann halt auch richtig. Nach 4 Stunden standen wir am Kraterrand. Das Dröhnen aus dem Vulkaninneren kann man nicht beschreiben. Etwas Vergleichbares haben wir noch nicht gehört. Immer wieder mussten wir uns den Ärmel vor Mund und Nase halten, denn die Gase schnürten uns den Atem ab. Der Blick in einen aktiven Vulkan ist einfach unbeschreiblich. In regelmässigen Abschnitten spuckte er Lava in die Höhe. Das war ein ganz besonderes Erlebnis, welches wir nicht so schnell vergessen werden. Gerne wären wir noch länger geblieben, aber wenns am schönsten ist, soll man ja bekanntlich gehen. Den Rückweg absolvierten wir auf dem Allerwertesten und schlittelten den Vulkan hinunter. Nach 1 ½ Stunden hatten wir unseren Ausgangsort wieder erreicht.
Da ja alle guten Dinge drei sind, wollten wir uns noch einem Vulkan nähern. Hierfür hatten wir uns den Vulkan Llaima im Parque Nacional Conguillio ausgesucht. Leider war aber schon am Parkeingang für uns Schluss. Die Vulkanologen befürchten einen jederzeitigen Ausbruch des Lavaspeienden Berges, daher war der Park geschlossen. So fuhren wir einen grossen Bogen um den Park und genossen auch so eine wunderschöne Landschaft.
In der zweiten Woche statteten wir Santiago de Chile und Valparaíso einen Besuch ab. Auf der Strecke dorthin, sahen wir hier und da immer noch eingestürzte Brücken und Risse in den Strassen, Folgen des verheerenden Erdbebens Anfang des Jahres. Bevor es dann zum Reserva Nacional Pingüino de Humboldt ging. Eigentlich wollten wir einen Bootsausflug zu einer der Inseln machen. Allerdings stolperten wir zufällig über eine Tauchschule. Leider reichte unser Bargeld nur noch für einen. So tauchte Markus ins Nass, während Sonja in der Zeit eine kleine Insel erkundschaftete. Leider zeigte sich das Wetter nicht von seiner besten Seite und so steuerten wir gleich am nächsten Tag wieder ins Landesinnere.
Über die Anden von Chile nach Argentinien bzw. von Argentinien nach Chile springend wollten wir uns gen Norden vorarbeiten. In wie weit die knapp unter 5.000m liegenden Pässe allerdings noch geöffnet sind, konnte uns keiner beantworten. Ob unser Plan aufgegangen ist, und wir nun mal wieder in Argentinien stecken, dann im nächsten Bericht.
Bis bald.
Markus und Sonja