Pantanal
Auf gings in eins der weltweit grössten Feuchtgebiet. Das Pantanal deckt eine Fläche von ca. 230.000 qkm, wovon der grösste Teil auf Brasilien entfällt. Paraguay und Bolivien teilen sich den Rest. Es gehört zu einem der letzten intakten ökologischen Paradiese. Hier leben Tiere, die woanders schon längst ausgestorben sind. Das Gebiet ist am Besten in Kanus, Booten oder Perpedes zu erkunden. Daher hatten wir geplant in einem der vielen Fazendas, der überwiegende Teil des Gebietes ist im Privatbesitz riesiger Rinderfarmen, unterzukommen und von dort Ausflüge ins Herz dieses spannenden Fleckchens Erde zu machen. Aber es kam anders.
Nachdem wir die Grenze hinter uns gelassen hatten, steuerten wir in Richtung Südpantanal, genauer gesagt, der glasklaren Flüsse nahe der kleinen Stadt Bonito. Vorher kamen wir jedoch in den Genuss der brasilianischen Gastfreundschaft. Auf der Suche nach einem Plätzchen für die Nacht, bogen wir in einen kleinen holprigen Sandweg. Nach einigen Kilometern kam uns ein Mopedfahrer entgegen. Wir schilderten ihm unser Vorhaben und, obwohl er uns kaum verstand, er sprach kein spanisch und wir kein portugiesisch, lud er uns prompt ein auf seiner kleinen Farm am Ende dieses Weges zu übernachten. Wir durften sogar seine Dusche wie auch seine Küche benutzen. Nachdem er uns noch eine Papaya zum Nachtisch reichte, liess er uns nach einem kleinen Rundgang für diese Nacht allein. Er würde erst am nächsten Morgen zurückkommen. Wieder einmal staunten wir über dieses Vertrauen in wildfremde Leute.
Am nächsten Morgen, auf dem Weg zum Rio da Prata, kamen wir an einem Wegweiser mit der Aufschrift „Buraco das Araras“ vorbei. Hiervon hatten wir in keinem unserer Reiseführer gelesen. Ob wir da wohl die grossen hellroten Araras zu Gesicht bekommen? Schnell nachgefragt und tatsächlich, hier könnte ein Traum in Erfüllung gehen. Aber wir sollten noch ein Bisschen warten, denn erst um 16 Uhr kehren sie zum Schlafen zurück. Also fuhren wir zur Recanto Ecologico Rio da Prata, wo wir uns nach den Tauchmöglichkeiten in einem der schönsten Flüsse dieser Gegend erkundigten. Als erstes fragte man uns, von welchem Agent wir kommen würden. Hääääää, öhhhhhh, … Wir sind unser eigener Agent! Anscheinend war es nicht üblich, dass jemand auf eigene Faust vorbei kam. Später an einem anderen Ort wurden wir sogar die 25 km wieder zurück in die Stadt geschickt, da wir nicht über einen Agenten gebucht hatten. Aber hier war man flexibel. Leider war der Fluss stellenweise gerade mal 1m tief. Also nichts mit tauchen. So schlossen wir uns einer Schnorchelgruppe an, auch wenn uns touristische Rudelbadeausflüge nicht so zusagen. Bevor wir jedoch ins kühle Nass eintauchen durften, ging es 1 km zu Fuss durch den Dschungel. Da kommt einem die am Ende des Weges liegende 2 km lange Abkühlung gerade recht. Es wird einem nicht zu viel versprochen. Die Sichtweiten und der Fischanteil sind enorm. Mit der Strömung liessen wir uns flussabwärts treiben. Als Höhepunkt bekamen wir sogar eine Anakonda zu sehen. Unsere war zwar „nur“ vier Meter lang, aber auch so schauten wir ihr mit Respekt hinterher.
Nach diesem Ausflug ging es Schnur stracks zur nächsten Traumerfüllung. Und tatsächlich, pünktlich auf die Minute, hörte und sah man die wunderschönen Araras kommen. Wir schauten ihnen zu, wie sie, begleitet von lautem Krächzen, ihre Runden zogen. Immer paarweise, denn Araras sind treu. Haben sie einmal ihren Partner gefunden, bleiben sie ein Leben lang, welches 70-80 Jahre dauern kann, zusammen. Über eine Stunde schauten wir diesen kunterbunten Vögeln zu. Und weil das alles noch nicht genug ist, flogen noch Riesen- und Halsband-Tukane vorbei. Schöner kann ein Tag nicht zu Ende gehen.
Unser nächster Weg führte uns zur Estrada Parque. Eine Schotterstrasse, die ein Stück in das Schwemmland hineinführte. In der Zwischenzeit gehörte der Riesentukan zu einem unserer treuen Wegbegleiter. So gut wie kein Tag verging, an dem wir nicht mindestens einen dieser farbenfrohen Piepmatze zu Gesicht bekamen. Hinzu gesellten sich nun noch am Himmel kreisende Jaburu Störche, grün weisse Sittiche und diverse kleine grüne Papageie mit rotem, blauem oder gelbem Häubchen, die plötzlich aus dem Gebüsch am Wegesrand auftauchten und uns ein Stück begleiteten. Immer wieder verharrten wir an den Holzbrücken, um die Kingfischer und sonstige Vögel beim Fischfang zu beobachten, und auch ein Hellrotes-Arara-Pärchen schaute an einem Tag wieder mal vorbei. Nicht zu vergessen Kabybaras und Kaimane, die sich in der Sonne aalten und diverse andere Tiere dessen Namen wir, auf Grund fehlendem Vogelbuch, nicht kennen. Fünf Tage verbrachten wir auf dieser Strasse. Campierten hier und da am Wegesrand zwischen all den Tieren. Jeder Platz hatte eine andere Geräuschkulisse. Pünktlich mit der Sonne und allen anderen Tieren erwachten wir am Morgen. Und falls wir doch mal nicht die Augen öffnen wollten, halfen möchtegern Hähne mit ihrem Trommelfell sprengenden Kikeriki nach. Für uns war es ein absoluter Traum. Wären da nicht die lästigen Mücken gewesen. Denn dann sässen wir vielleicht heute noch an einem wunderschönen Fluss mit grünblauen Papageien als Nachbarn.
Nach diesen wunderschönen Tagen stand für uns fest, dass wir von der Idee auf eine Fazenda zu gehen, Abstand nehmen. Mit etwas Geduld und Ausdauer schienen wir die Tiere fast magisch anzuziehen. In der Zwischenzeit fragten wir uns, ob das wohl so weitergeht? Heute wissen wir, ja es ging so weiter. Am nächsten Abend bekamen wir auf unserer Abkürzung, die wir gen Norden gewählt hatten, zwei Ameisenbären zu sehen. Die nächste Nacht verbrachten wir, dank eines Tipps, in der Nähe des „Speisesaales“ von Gelbbrustararas. Falls Tage mal nicht so tierreich anfingen, „beschwerte“ sich Sonja mit den Worten: „Schon lange keinen Tukan mehr gesehen!“ Innerhalb der nächsten Stunde flog dann einer mit Sicherheit vorbei. Es war schon ein Bisschen unheimlich.
Bevor es aber auf der Transpantaneira in den Nordpantanal ging, statteten wir noch einem der ältesten Hochplatos der Welt einen Besuch ab. Leider gab es auch hier die Regel wie im meisten Teil des Südens: Ohne Guide kein Zutritt, weil alles in Privatbesitz. Trotzdem fanden wir am Lago do Manso für zwei Tage ein wunderschönes Plätzchen zum Verweilen und die vergangenen tierreichen Tage revuepassieren zu lassen.
Irgendwann zog es uns aber wieder ins Paradies, und so gings weiter, wie es im Süden aufgehört hatte. Uns viel auf, dass es hier oben nur so wimmelte von Nestern gefüllt mit Nachwuchs. Es war ein Spass den kleinen bei den ersten Flugversuchen zuzuschauen. Auch kamen wir einem seltenen Hyazinth-Arara-Pärchen auf die Schliche. OK, falls sie sich vor uns verstecken wollten, hätten sie vielleicht besser den Schnabel gehalten. Nicht weit von unserem wilden Campingplatz, nachdem wir mal wieder durch einen Zaun geklettert waren und ein Stück Kuhweide überquert hatten, standen wir unter dem Baum, auf dem die beiden sassen. Gut 20 Minuten verbrachten wir mit ihnen und belauschten ihre Unterhaltung. Und da diese wunderschönen Vögel nicht nur ihrem Partner treu sind, schien dies ihr abendlicher Stammplatz zu sein und so kamen wir gleich mehrmals in den Genuss ihrer Gesellschaft.
Auch waren wir nicht die einzigen Langzeitreisenden hier oben. Neben dem Troopy-Team, Ursula und Adriano, welches wir nun schon zum vierten Mal trafen, lernten wir auch Alexandra und Steffen, ein deutsches Pärchen, ein weiteres Schweizer Pärchen, Armin und Mariesol und ein österreichisches Ehepaar, Ernst und Christel, kennen. Gemeinsam verbrachten wir mehrere lustige, aber kalte Abende. Denn was zwar alle in ihren Reiseführern gelesen hatten, aber nicht glauben wollten, war eingetroffen. Eine Kaltfront aus Patagonien hatte Brasilien erreicht. Die Temperaturen stiegen tagsüber nicht mehr über 14 Grad. Zu Anfang war es nach den heissen Tagen noch angenehm, aber schnell hatte man den kalten Wind satt. Auch die Tiere verkrochen sich tief in ihren Höhlen. Und da es nicht mehr so viele Tiere zu schauen gab, entdeckten die Touristen eine ganz neue Spezies: Die Wildcampierer oder auch Langzeitreisende genannt. Eines Morgens, wir bereiteten gerade unser Frühstück vor, bogen zwei brasilianische Autos auf „unseren“ wilden Campingplatz. Leise schlichen die Familien umher, denn sonst wars noch überall ruhig. Nachdem sie kurz mit Handzeichen nachgefragt hatten, ging die grosse Fotosession los. Da wurde mit Frau und Kind vor den Wohnmobilen gepost. Schon oft wurden wir fotografiert, aber das toppte alles.
Nachdem wir drei Tage der Kälte getrotzt haben und dafür mit zwei Uhus und einem 2 m grossen Riesenotter belohnt wurden, kehrten wir diesem Paradies den Rücken. Wir haben eine wahnsinnig schöne und aufregende Zeit, mitten zwischen all diesen Tieren, verbracht. Nie im Leben hätten wir gedacht, das so etwas möglich ist. Allerdings schlich sich doch eine Frage in unsere Köpfe: Auch wenn Kuh und Kaiman schon seit Jahren Seite an Seite leben, wie lange geht das noch gut. Die Landschaft neben den Wegen ist zum grössten Teil geprägt von Weideland auf denen tausende Rinder grasen. Erst auf den letzten Kilometern bekamen wir einen Einblick in das „echte“ Schwemmland, wie man es sich vorstellt. Wir hoffen, dass das Herz dieses Fleckchen Erde auch weiterhin von den Fazendas verschont und das Paradies noch lange bestehen bleibt, so dass die letzten Tiere ihrer Art, die hier leben, nicht doch irgendwann auf unserer Erde verschwunden sind.
Até breve!
Markus und Sonja