Neuquen, Chubut, Santa Cruz
Wir können es selbst kaum glauben, bereits ein Jahr rollen wir nun schon dem Horizont entgegen, Zeit auch mal für einen technischen Rückblick: In unseren ersten 365 Tagen haben wir 10 Länder unsicher gemacht und 59‘801,9 Kilometer zurückgelegt. Dabei verbrannten wir 8‘152.013 Liter Diesel, die uns sage und schreibe durchschnittlich 78 Rappen pro Liter gekostet haben.
Ausserdem mussten 1 ½ Radgarnituren dran glauben und wurden von uns zu Slicks gefahren. Der einzige eigenhändig geflickte Plattfuss rollt übrigens immer noch. Die Ölwechsel zählen wir schon nicht mehr. New Mexico, USA, war uns nicht so gut besonnen, hier mussten wir gleich zwei Probleme lösen. Unser „einziger“ Luxus, die Klimaanlage, gab ihren Geist auf und musste repariert werden. Auch unser Dach schwächelte. Mit ein paar Schrauben und gut zureden konnten wir es jedoch zum Bleiben überreden. Einmal mussten wir unseren Feuerlöscher für ein in Flammen stehendes, uns überholendes Auto hervorkramen. Beulen- bzw. Schrammentrophäen haben wir insgesamt vier gesammelt. Zwei durch plötzlich auf die Strasse springende Bäume und eine durch einen Holzstrommast, der partout nicht aus dem Weg gehen wollte. Wohlgemerkt alles beim rückwärtsfahren. Die Vierte war auf einmal da und wird uns wohl ewig ein Rätsel bleiben. Zum Schluss noch die Frontscheibe. Sie schmückt in der Zwischenzeit vier Steinschläge. Alles in allem ein erfolgreiches Jahr, mit vielen Erlebnissen nicht nur rund ums Auto, die wir nicht vergessen werden und nun mit im Gepäck ins zweite Reisejahr nehmen dürfen.
Jetzt aber zum Anfang unseres zweiten Jahres. Dies begann wie das erste aufgehört hatte: Mit baden in und relaxen an diversen Seen, die uns auf der Strecke von San Martin de los Andes bis Bariloche über den Weg liefen. Bis wir dann im Nationalpark Los Alerces ankamen.
Dieser Park ist bekannt für seine Alerces (Baumart), eine der am längsten lebenden Spezies auf der Erde (bis zu 4.000 Jahre). Sie wachsen nur rd. 1 cm in 20 Jahren. Hier haben wir mal wieder unsere Wanderschuhe hervorgekramt. In Argentinien scheint man auf Wanderwegen keine Kurven zu kennen. Hier geht’s gradewegs zum Ziel, eine „90%-ige“ Steigung ist daher nicht selten. Die Knie danken es einem zum Schluss, aber die Aussicht lässt doch sowieso alle Schmerzen vergessen.
Nach diesen sonnigen Seetagen legten wir mal wieder einen Fahrtag ein und gelangten nach rd. 500 km zum Lago Buenos Aires. Wieder konnten wir direkt am Ufer campieren und die wunderschöne Aussicht geniessen. Diesmal entschieden wir uns jedoch auf Grund der Kälte gegen ein Bad im tiefblauen Nass.
Unser nächstes Ziel war der Parque Nacional Perito Moreno. Schnell auf die Karte geschaut, ja, dass sollten wir spielend in einer Tagesetappe schaffen. Laut Karte befindet sich die Asphaltstrasse nur noch in einem Abschnitt in Bau, und in der Vergangenheit konnten wir uns auf die Arbeiter verlassen, so dass zumindest die Hälfte der Strecken fertig waren. Diesmal liessen sie uns jedoch im Stich. Langsam mussten wir auf einer sehr schlechten Schotterpiste direkt neben einer anscheinend noch nicht versiegelten Asphaltdecke entlang hoppeln. Unsere Hoffnungen jeden Moment auf die wunderbar glatte und schnurrgerade schwarze Piste zu wechseln wurden immer kleiner. Von Mann und Auto wurde alles abverlangt. Es klapperte und rappelte aus allen Ecken, auch schwirrte immer wieder eines in unseren Köpfen: Hoffentlich hält Elise 2. Ausserdem bekamen wir erstmalig den berühmten Patagonischen Wind zu spüren. Entweder flog man samt Autotür im hohen Bogen aus dem Wagen oder sie ging gar nicht erst auf, geschweige denn zu, dafür wurden dann schon mindestens vier Hände benötigt. Aber die Landschaft hatte immer wieder einen kleinen Augenschmaus parat und auch die Tiere versuchten uns bei Laune zu halten. Waren wir in Mendoza den Guanakos noch verzweifelt hinterhergelaufen, standen sie hier am Strassenrand Spalier. Bis in den Park hinein schafften wir es nicht mehr wie geplant, also musste der Seitenstreifen reichen. An diesem Abend wog uns der Wind in den Schlaf.
Am nächsten Tag erkundeten wir den Nationalpark. Allein die Anfahrt aus der Steppenlandschaft mit Blick auf die schneebedeckten Berge ist ein Erlebnis. Nur rd. 1.200 Besucher pro Jahr verirren sich in diese Ecke und so hatten wir die 1.150 qm so gut wie für uns allein, lässt man mal die zig grasenden Guanakos, Hasen und Flamingos unbeachtet (Bevor jetzt irgendjemand die Stirn wegen letztgenannter Gattung runzelt: Nein, das ist kein Schreibfehler und verflogen haben die sich auch nicht, die gibt es hier wirklich.). Unsere Zelte schlugen wir im südlichen Teil des Parkes am See Burrmeister auf. Von diesem bekamen wir jedoch höchstens die durch den Wind aufgewirbelte Gischt ins Gesicht. Nach einem erneut wunderschönen Tag fielen wir erschöpft ins Bett.
Plötzlich, selbst die Sonne hatte sich noch nicht blicken lassen, klopfte es an unserer Wagentür. Huch, wer ist denn das. Noch einmal, allerdings erkannten wir diesmal die Stimme, die da rief: „Aufstehen, wir fahren los ohne Frühstück, es hat geschneit!!!!“ Ui und tatsächlich, ein Blick aus dem Fenster zeigte eine dünne weisse Puderschicht. Und so sah man uns zehn Minuten später durch den Park fahren. Die Landschaft von gestern war nicht wiederzuerkennen. Wir kamen uns vor wie im Märchenland und die aufgehende Sonne tat ihr übriges. Es war wunderschön. Nachdem wir die für Elise „schwierigsten“ Stellen des Weges gemeistert hatten, schlugen wir an der Lagune neben den Flamingos unser Frühstückslager auf und holten unsere Morgenroutine mit herrlicher Aussicht nach.
Nach unseren letzten Erfahrungen mit den Strassenzuständen erwarteten wir auf dem nächsten Teilstück nichts Gutes. Aber ehe wir uns versahen waren wir in dem kleinen Dörfchen El Chaltén angekommen und vor uns ragten die spitzen Gipfel der Fitz Roy Bergkette gen Himmel.
Am nächsten Morgen hiess es: Der Berg ruft. Wir wollten zum Fusse des Fitz Roy. Während ¾ der Strecke eher einem „Spazierweg“ ähnelte, schien man zum Schluss alles nachzuholen, 430 Höhenmeter auf gefühlten 100 m. Aber der Blick auf diesen ruppig wirkenden Berg liss alle Strapazen schnell vergessen. Auch der gross angekündigte starke Wind am Ziel blieb aus. Lediglich ein kleines aber kaltes Lüftchen wehte uns um die Nase.
Aber der Fitz Roy ist nicht das einzige was der Parque Nacional Los Glaciers zu bieten hat. Weiter südlich befindet sich der grösste Gletscher der Südhalbkugel ausserhalb der Antarktis, Upsala-Gletscher, sowie einer der dynamischsten der Welt, Moreno Gletscher. Da man ersteres nur vom Wasser aus bestaunen kann, sah man uns am nächsten Tag in einem riesigen Katamaran über den Lago Argentinien schippern. Da auch hier die Klimaerwärmung ihre Spuren hinterlässt, kommt man auf Grund riesiger Eisschollen, die herunterfallen und auf dem Wasser liegen, nicht mehr an den Gletscher heran. Aber dank einer super Sicht konnten wir die 595qkm grosse Eismasse in der Ferne gut erkennen.
Nach diesem wunderschönen Tag statteten wir natürlich auch noch dem Perito Moreno einen Besuch ab. Dieser 30 km lange, 5 km breite und teilweise 60m hohe Gletscher gehört zu den sehr wenigen noch wachsenden, rd. 2 m pro Tag. Da wir noch keinen Schlafplatz hatten, erkoren wir spontan den Parkplatz mit Sicht auf die imposante Eismasse als unseren heutigen Campingplatz aus. Die ganze Nacht hörten wir das Knacken und Ächzen des Gletschers. Es war ein ganz besonderes Erlebnis.
Am nächsten Morgen waren wir natürlich die ersten auf dem Boardwalk zu den Aussichtspunkten. Wieder lauschten wir den Geräuschen und beobachteten wie er hier und da kalbte. Diese Eismasse ist einfach überwältigend. Immer wieder blieben wir beeindruckt stehen und blickten auf die so sanft nach Sahnehäubchen wirkende und trotzdem vor Kraft strotzende, in diversen blautönen schimmernde Masse. Als die Touristenströme immer weiter zunahmen, gaben wir das Feld nach einem heissen Kaffee bzw. einer Schoggi frei und steuerten den Lago Roca an. Hier liessen wir bei herrlichstem Sonnenschein den Rest des Tages ausklingen bevor es am nächsten Tag hiess: Auf nach Chile!
Liebi Grüessli von den, der Kälte und dem Wind trotzenden
Markus und Sonja